Projekt Beschreibung
Klimapolitische Beziehung nach der Trennung
Das am 24. Dezember 2020 zwischen der EU-Kommission und der britischen Regierung ausgehandelte Handels- und Kooperationsabkommen umfasst auch die Energiepolitik und den Klimaschutz.
Die CO2-Märkte und die CO2-Politik beider Seiten bleiben weiterhin gekoppelt, der Energieaußenhandel der EU mit Großbritannien wird jedoch aufwendiger.
Großbritannien möchte ein eigenes Emissionshandelssystem etablieren. Mittelfristig soll dieses mit dem Europäischen Emissionshandelssystem verlinkt werden.
26. Jänner 2021
Ein umfangreicher Scheidungsvertrag
Mit dem Austritt aus der Europäischen Union hat das Vereinigte Königreich zum 1. Januar 2021 auch den EU-Energiebinnenmarkt verlassen. Der britische und der kontinentale Energiemarkt waren jahrzehntelang über Stromkabel und Pipelines, die zwischen Großbritannien auf der einen Seite und Frankreich, den Niederlanden, Belgien, Irland und Nordirland auf der anderen Seite verlaufen, eng verbunden. Der Entwurf des Handelspakts, der die Beziehungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreichs künftig regeln soll, ist in der Originalsprachfassung 1.246 Seiten lang und in sieben Teile gegliedert. 33 Artikel regeln den künftigen Handel mit Energie.
Energieaußenhandel mit Großbritannien wird aufwendiger
Gemäß Artikel 5 ist es das Ziel des Energiehandels nach dem Brexit „einen lauteren Wettbewerb sicherzustellen, wobei jede Vertragspartei dafür sorgt, dass ihr Regulierungsrahmen für die Produktion, Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Versorgung von Strom und Erdgas hinsichtlich Vorschriften, Gebühren und Behandlung nicht diskriminierend ist“. Der jeweilige „Ex-Partner“ verpflichtet sich somit in dem Abkommen, den Zugang von Dritten zu den Interkonnektoren für den grenzüberschreitenden Fluss von Strom und Gas nicht zu diskriminieren.
Für den Handel mit Strom wird es trotzdem schwieriger, insbesondere für Stromhändler: Wer Strom auf den Energiehandelsplattformen ersteigert, muss die zugehörige Transportkapazität zusätzlich erwerben. Das macht den Stromhandel in einem ersten Schritt kompliziert. Zu einem späteren Zeitpunkt soll bilateral aber noch geklärt werden, wie der grenzüberschreitende Energiehandel wieder erleichtert werden kann.
Ein britisches Emissionshandelssystem
Mit dem EU-Austritt unterliegt Großbritannien auch nicht mehr den europäischen Energie- und Klimavorschriften. Großbritannien hat das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) verlassen, betreibt aber offiziell seit Anfang des Jahres Bestrebungen ein eigenes Emissionshandelssystem für den Industriesektor und die Energiewirtschaft zu etablieren. Der Luftverkehr soll spätestens innerhalb von zwei Jahren in das britische Emissionshandelssystem einbezogen werden.
Angestrebtes Ziel ist mittelfristig die Verlinkung der beiden Systeme. Ein getrennt bestehendes britisches Emissionshandelssystem würde nach Aussagen von ExpertInnen zu Verzerrungen auf den eng miteinander verflochtenen Strommärkten führen, da unterschiedliche CO2-Preise unterschiedliche Strompreise zur Folge hätten. In den Vertrag hineingeschrieben wurde auch ein „Rückschrittsverbot“ beim Klimaschutz. So darf CO2 in Großbritannien nicht niedriger bepreist werden als zurzeit im EU-ETS.
Beiderseitiges Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2050
Sowohl die EU-27 als auch Großbritannien verpflichten sich zur Klimaneutralität bis 2050. Hält sich eine Seite der Vertragsparteien nicht an ihre Klimaschutzzusagen, kann die andere das Abkommen in Teilen oder in Gänze aufkündigen. Großbritannien verpflichtet sich seine für 2030 zugesagten CO2-Einsparziele im Non-ETS-Sektor (Transport, Landwirtschaft, Gebäude) einzuhalten, obwohl es mit seinem Austritt nicht mehr der Lastenverteilungsverordnung unterliegt. Das könnte der EU-Aussteiger aber mit Leichtigkeit schaffen. Das Vereinigte Königreich hat nicht nur bis jetzt massiv CO2-Emissionen reduziert, der Klima-Musterschüler möchte bis 2030 zudem seine CO2-Emissionen um -68% (im Vgl. zu 1990) reduzieren, was weit über dem angestrebten -55%-Reduktionsziel der verbleibenden Mitgliedsstaaten liegt.
Zusammenarbeit bei erneuerbarer Offshore-Energie
Im Abkommen verpflichten sich die EU-27 und Großbritannien beim Ausbau von Nordsee-Offshore-Windenergie zusammenzuarbeiten. Großbritannien wird daher im Rahmen der Plattform „North Seas Energy Cooperation (NSEC)“ eine grenzüberschreitende Kooperation zwischen Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Irland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und Schweden eingehen. Damit unterstützt Großbritannien die EU-Offshore-Strategie der EU-Kommission, mit der bis 2050 rund 300 GW an Offshore-Kapazität in europäischen Meeresbecken errichtet werden soll.

Autorin:
Yolande Kyoni
Public Affairs Expert,
Wien Energie
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